Neues Kaufrecht: Das müssen Unternehmer wissen
Mit Beginn des Jahres 2022 trat das neue, grundlegend reformierte Kaufrecht in Deutschland in Kraft. Diese Änderung wurde wegen der nun geltenden Warenkaufrichtlinie der EU (EU-Richtlinie 2019/771) notwendig. Mit dieser Gesetzesänderung gehen zahlreiche Anpassungen einher, die insbesondere von Unternehmern beachtet werden müssen.
Wichtig ist hierbei, dass aufgrund der Reform des Kaufrechts zahlreiche AGB und Lieferantenverträge an die aktuelle Rechtslage angepasst werden. Zudem muss unternehmensintern der geänderte Umgang mit geltend gemachten Mängelgewährleistungsansprüchen kommuniziert und beachtet werden.
Inhaltsverzeichnis:
- Was hat sich durch das neue Kaufrecht für Verkäufer geändert?
- Wie hat sich der Sachmangelbegriff geändert?
- Was gilt im neuen Kaufrecht, wenn der Käufer vom Mangel der Kaufsache weiß?
- Was hat sich bei der Verjährung von Mängelgewährleistungsrechten geändert?
- Was gilt nun zur Beweislastumkehr bei Verbrauchsgüterkäufen
- Welche Änderungen haben sich für digitale Produkte ergeben?
- Wie sieht diese Aktualisierungspflicht aus?
- Welche Sonderregelungen gelten für die Verjährung bei digitalen Produkten?
- Welche Pflichten zur Nacherfüllung gelten für Verkäufer?
- Was ändert sich zum Rücktrittsrecht von Käufern?
- Was hat sich im Hinblick auf Garantieerklärungen geändert?
- Welche Änderungen ergeben sich für den Lieferkettenregress?
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1. Was hat sich durch das neue Kaufrecht für Verkäufer geändert?
Durch die Gesetzesänderung wird die Verbraucherfreundlichkeit des Kaufrechts weiter ausgebaut. Einer der zentralen Inhalte dieser Reform ist die Änderung des Begriffes zum Sachmangel, der in § 434 BGB und nun für Waren mit digitalen Elementen speziell in § 475 b BGB geregelt ist. Darüber hinaus werden die Pflichten zur Nacherfüllung von Verkäufern ausgeweitet und die Verjährungsfrist zur Geltendmachung von Mängelansprüchen verlängert. Hierbei ändert sich auch die Frist der Beweislastumkehr bei Mängeln zugunsten der Verbraucher von bisher sechs Monaten auf nun ein Jahr.
Des Weiteren können sich Verbraucher nun noch einfacher als zuvor von abgeschlossenen Verträgen durch einen Rücktritt wieder lösen. Für digitale Produkte wie Smart-Watches, Autos, E-Bikes, Saugroboter oder Navigationsgeräte wurden neue Spezialregelungen geschaffen und eine neue Updatepflicht eingeführt. Zudem ergaben sich Anpassungen für Inhalt und Form von Garantieerklärungen sowie zum Regress innerhalb von Lieferketten.
Besonders betroffen sind somit Händler, die Waren oder digitale Produkte direkt an Verbraucher verkaufen oder die innerhalb einer Lieferkette in Regress genommen werden können.
Entscheidend für die Frage, ob das neue oder das alte Kaufrecht angewendet werden muss, ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Das neue Kaufrecht gilt für alle Verträge, die ab dem 01.01.2022 abgeschlossen werden.
2. Wie hat sich der Sachmangelbegriff geändert?
Nach der alten Rechtslage wurde der Sachmangelbegriff dadurch geprägt, dass für eine mangelfreie Sache entweder subjektive oder objektive Voraussetzungen erfüllt sein mussten. Welche dieser Voraussetzungen vorliegen musste, hing vom jeweiligen konkreten Vertrag ab. Wurde eine konkrete Beschaffenheit der Sache vereinbart, galt der subjektiv geprägte Mangelbegriff. Wurde eine solche konkrete Beschaffenheit nicht vereinbart, galt hingegen der objektiv geprägte Mangelbegriff. Entscheidend war dann, ob sich die Sache für die im Vertrag vorausgesetzte Verwendung oder die übliche Verwendung eignet und eine erwartbare Beschaffenheit aufwies.
Nach der neuen Rechtslage ist dagegen nun eine Sache nur dann mangelfrei, wenn sowohl die subjektiven als auch die objektiven Voraussetzungen erfüllt sind.
Demnach muss eine Kaufsache nun zur Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen die vereinbarte Beschaffenheit aufweisen, sich für im Vertrag vorausgesetzte Verwendung oder die gewöhnliche Verwendung eignen.
Zudem muss sich diese gleichzeitig zur Erfüllung der objektiven Voraussetzungen für die gewöhnliche Verwendung eignen, eine für die Sache übliche Beschaffenheit aufweisen die der Käufer erwarten kann.
Darüber hinaus muss die Sache mit dem vereinbarten Zubehör sowie der notwendigen Montageanleitungen geliefert werden.
Bei Produkten mit digitalen Elementen gelten weitere Sonderreglungen wie die Pflicht des Verkäufers, den Käufer für die Zeit der üblichen Verwendung der Sache über digitale Aktualisierungen zu informieren und diese bereitzustellen.
3. Was gilt im neuen Kaufrecht, wenn der Käufer vom Mangel der Kaufsache weiß?
Eine wesentliche Änderung entsteht für Fälle, in denen der Käufer bei Vertragsschluss bereits weiß, dass die Kaufsache mangelhaft ist. Nach alter Rechtslage konnte er in diesen Fällen keine Mängelgewährleistungsrechte geltend machen.
Nach dem neuen Kaufrecht gilt dieser Ausschluss nicht mehr, wenn es sich bei dem Käufer um einen Verbraucher handelt. Das heißt konkret:
Selbst wenn ein Verbraucher eine Sache von einem Unternehmer kauft, von der er weiß, dass diese mangelhaft ist, kann er im Nachgang Mängelgewährleistungsrechte geltend machen. Aus diesem Grund sollten insbesondere Verkäufer von B-Waren eine erhöhte Vorsicht walten lassen und ihre Verkaufsanzeigen entsprechend gestalten.
4. Was hat sich bei der Verjährung von Mängelgewährleistungsrechten geändert?
Nach dem alten Kaufrecht galt eine starre Verjährungsfrist von 2 Jahren. War diese abgelaufen, konnte der Käufer keine Mängelgewährleistungsrechte mehr geltend machen.
Seit dem 01.01.2022 hat sich dies nun erheblich geändert. Nach dem neuen Kaufrecht genügt es, wenn der Mangel innerhalb der Verjährungsfrist von 2 Jahren auftritt. Geschieht dies erst gegen Ende dieser Verjährungsfrist, hat der Käufer ab dem Zeitpunkt, an welchem der Mangel auftritt, weitere vier Monate lang Zeit, um seine Mängelgewährleistungsansprüche geltend zu machen.
Übersendet er die mangelhafte Kaufsache an den Verkäufer zur Nachbesserung, wird die Verjährungsfrist gehemmt. Diese setzt sich erst zwei Monate nachdem der Käufer die Sache zurückerhalten hat, fort. Dadurch soll der Käufer in die Lage versetzt werden, die vorgenommene Nacherfüllung des Verkäufers hinreichend zu prüfen.
Diese neue Regelung bedarf der besonderen Aufmerksamkeit der Verkäufer. Denn die bestehenden AGB sollten dringend an diese neue Rechtslage angepasst werden. Widersprechende Regelungen können andernfalls zur Unwirksamkeit der gesamten betroffenen Klausel führen.
5. Was gilt nun zur Beweislastumkehr bei Verbrauchsgüterkäufen?
Auch bei der Beweislastumkehr im Zusammenhang mit Verbrauchsgüterkaufverträgen im B2C Verhältnis hat sich eine wesentliche Änderung ergeben.
Ursprünglich galt folgende Regelung nach § 477 BGB:
Trat innerhalb von 6 Monaten nach dem Erhalt der Kaufsache ein Mangel an der Kaufsache auf, wurde vermutet, dass dieser Mangel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen habe.
Nach der neuen Rechtslage wird diese Frist auf ein Jahr ab dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs ausgedehnt.
6. Welche Änderungen haben sich für digitale Produkte ergeben?
Für digitale Produkte wurden in § 327 BGB eigene Produktkategorien mit speziellen Regelungen im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufrechts geschaffen. Der Begriff digitale Produkte umfasst sowohl die Bereitstellung digitaler Inhalte als auch digitaler Dienstleistungen. Das sind neben Softwareprodukten, Audio- oder Videodateien sowie der Zugang zu diesen auch solche Waren, die lediglich digitale Elemente haben.
Waren mit digitalen Elementen sind nach der Definition des Gesetzgebers solche Waren, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können. Diese nehmen im Zuge des technischen Fortschritts immer mehr zu. Hierzu gehören inzwischen neben Laptops, Computern und Smartphones auch Produkte wie Autos, E-Bikes oder Saugroboter. Für diese gilt mit § 475b BGB eine eigene Regelung zum Sachmangel.
Für digitale Produkte gilt zudem eine Aktualisierungspflicht.
7. Wie sieht diese Aktualisierungspflicht aus?
Der Verkäufer ist dazu verpflichtet, den Verbraucher für die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer des digitalen Produktes über Aktualisierungen zu informieren und ihm diese Updates zugänglich zu machen. Welche Zeitspanne diese übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer umfasst, hängt jeweils vom konkreten Produkt ab. Bestimmte Zeiträume werden im Gesetz nicht näher definiert. Es kommt darauf an, was ein Verbraucher vernünftigerweise erwarten darf. Diese Nutzungs- und Verwendungsdauer dürfte daher bei einem PKW wesentlich länger sein als bei einem Smartphone.
Dadurch soll die Funktionsfähigkeit der digitalen Produkte aufrechterhalten bleiben und Risiken durch Sicherheitslücken minimiert werden. Auf eine verbesserte digitale Version oder eine Ausweitung der Nutzungsmöglichkeiten hat der Verbraucher jedoch keinen Anspruch.
Wichtig ist hierbei für den Verkäufer:
Kommt er seinen Informations- und Updatepflichten nicht nach, dann gilt das digitale Produkt als mangelhaft. Der Verbraucher kann dann entsprechende Mängelgewährleistungsansprüche sowie Schadenersatz geltend machen.
8. Welche Sonderregelungen gelten für die Verjährung bei digitalen Produkten?
Werden digitale Elemente von Produkten für einen bestimmten Zeitraum bereitgestellt, verjähren diese nicht vor dem Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraums.
Vergleichbares gilt im Hinblick auf die Aktualisierungspflicht. Auch hier tritt die Verjährung nicht vor dem Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraums ein.
Auch hierbei handelt es sich wie bei den übrigen Waren um keine starren Fristen. Zeigt sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist, so tritt die Verjährung frühestens 4 Monate nach dem Auftreten des Mangels ein. Sofern der Verbrauch ein Gerät zum Zwecke der Nacherfüllung an den Verkäufer übergibt, wird der Lauf der Verjährungsfrist gehemmt und beginnt erst 2 Monate, nach dem er die Ware zurückerhalten hat, wieder weiter zu laufen.
9. Welche Pflichten zur Nacherfüllung gelten für Verkäufer?
Die erweiterten Pflichten zur Nacherfüllung gelten nicht nur für Verkäufe an Verbraucher, also im B2C Verhältnis, sondern auch für Verkäufe unter Unternehmern als im B2B Verhältnis.
Wird im Wege der Nacherfüllung die mangelhafte Sache ersetzt, muss der Verkäufer das mangelhafte Produkt zurücknehmen und die diesbezüglichen Kosten tragen. Dies wird bei Verkäufen im B2C Bereich weiter verschärft. Dem Verkäufer wird hierzu auferlegt, die Ersatzlieferung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher innerhalb einer angemessenen Frist durchzuführen. Hierbei hat er den jeweiligen Verwendungszweck sowie die Art der gekauften Sache zu berücksichtigen.
Im Gegenzug wird der Käufer nunmehr auch ausdrücklich im Gesetz dazu verpflichtet, dem Verkäufer die mangelhafte Kaufsache zur Verfügung zu stellen, um die Nacherfüllung zu bewerkstelligen.
10. Was ändert sich zum Rücktrittsrecht von Käufern?
Nach dem alten Kaufrecht stand dem Käufer ein Rücktrittsrecht grundsätzlich nur dann zu, wenn er den Mangel angezeigt hat, dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und dieser seiner Nacherfüllungspflicht nicht innerhalb dieser Frist nachgekommen ist.
Dieses Erfordernis der ausdrücklichen Fristsetzung entfällt nun nach dem neuen Kaufrecht, wenn seit der Mängelanzeige eine ausreichende Zeit vergangen ist, ohne dass der Verkäufer seine Nacherfüllungspflicht erfüllt hat. Zudem entfällt das Erfordernis einer Fristsetzung auch dann, wenn der Verbraucher Schadensersatzansprüche statt der Leistung geltend macht.
In bestimmten Ausnahmefällen kann es nach alter wie nach neuer Rechtslage auch möglich sein, das Rücktrittsrecht sofort mit der Mängelanzeige auszuüben. Wesentliche Änderungen zu diesen Ausnahmesituationen ergeben sich durch das reformierte Kaufrecht nicht.
Sofern der Käufer vom Vertrag zurücktritt, hat er dem Verkäufer die Kaufsache zurückzugeben. Sofern ein Verbraucher die gekaufte Ware zurücksendet, muss der Verkäufer die Versandkosten tragen. Zudem muss er nach dem neuen Kaufrecht den Kaufpreis bereits dann erstatten, wenn ihm der Käufer einen Nachweis über den Versand übermittelt. Er ist daher nicht mehr dazu befugt, mit der Zahlung zu warten, bis die Ware tatsächlich bei ihm eintrifft.
11. Was hat sich im Hinblick auf Garantieerklärungen geändert?
Bei Garantieerklärungen handelt es sich um freiwillige vertragliche Gewährleistungspflichten des Verkäufers oder des Herstellers. Diese müssen nach dem neuen Kaufrecht zukünftig für den Verbraucher einfach und verständlich formuliert werden. Darüber hinaus schreibt der Gesetzgeber in § 479 BGB vor, dass diese Garantieerklärungen auch bestimmten Mindestinhalte aufweisen müssen. So müssen diese mindestens;
- den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers bei Mängeln, darauf, dass die Inanspruchnahme dieser Rechte unentgeltlich ist sowie darauf, dass diese Rechte durch die Garantie nicht eingeschränkt werden,
- den Namen und die Anschrift des Garantiegebers,
- dass vom Verbraucher einzuhaltende Verfahren für die Geltendmachung der Garantie,
- die Nennung der Ware, auf die sich die Garantie bezieht, und
- die Bestimmungen der Garantie, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes
enthalten.
12. Welche Änderungen ergeben sich für den Lieferkettenregress?
Sofern ein Zwischenhändler Produkte verkauft und der Kunde Mängelgewährleistungsrechte geltend macht, besteht für den Verkäufer die Möglichkeit, sich im Wege der Lieferkette an seinen Lieferanten zu wenden und diesen in Regress zu nehmen.
Diese Regelung gilt auch weiterhin. Sie wird jedoch im Hinblick auf die Anforderungen an digitale Produkte ausgeweitet. Hat sich der Verkäufer zur dauerhaften Bereitstellung gegenüber einem Kunden vertraglich verpflichtet, gelten die nicht mehr starren, sondern entsprechend anpassbaren Verjährungsfristen auch im Wege des Lieferantenregress.
Dadurch wird vermieden, dass der Händler als letztes Glied in der Lieferkette aufgrund unterschiedlicher Verjährungsfristen auf einem Regressschaden sitzen bleibt.
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Lothar Bücherl
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