Kann man den Pflichtteilsanspruch umgehen?
In Deutschland ist die Testierfreiheit durch die Regelungen zum Pflichtteil nicht unwesentlich eingeschränkt. Wer Verwandte in gerader Linie oder seinen Ehegatten enterben möchte, dem machen die § 2303 und § 2333 BGB einen Strich durch die Rechnung. Dieser schreibt einen Pflichtteil am Erbe in der Höhe der Hälfte der gesetzlichen Erbquote vor. Ein Ausschluss von diesem Pflichtteilsanspruch ist nur unter sehr engen Grenzen möglich, etwa wenn der Betreffende dem Erblasser oder dessen engsten Verwandten nach dem Leben trachtet. Es kann vielfältige Gründe geben, weshalb betroffene diesen Pflichtanteil möglichst geringhalten wollen.
Jedoch bestehen vielfältige Schutzvorschriften zugunsten der Pflichtteilsberechtigten wie den Pflichtteilsergänzungsanspruch aus § 2325 BGB. Dennoch gibt es mehr oder minder erfolgversprechende Möglichkeiten, um den Pflichtteil zu umgehen bzw. zu schmälern. In diesem Rechtstipp möchte ich Ihnen einen Überblick zum Umgehen des Pflichtteilsanspruch geben. Gerne unterstütze ich Sie als Anwalt für Erbrecht bei Ihrer Nachlassregelung. Nehmen Sie Kontakt zu mir auf, um in einem ersten Beratungsgespräch sämtliche Einzelheiten und Möglichkeiten zu klären.
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Möglichkeiten zur Minderung des Pflichtteils im Überblick:
- Schenkung zu Lebzeiten (sehr eingeschränkt)
- Verlagerung des Vermögens ins Ausland
- Verkauf gegen Leibrente
- Ehelich Güterstände
- Adoption
- Ausstattung nach § 1624 für Kinder
- Vereinbarung von entgeltlichen Leistungen wie der Pflegeleistung
- Ausländische Staatsbürgerschaft
- Pflichtteilsverzicht, etwa gegen eine Abfindungszahlung
Inhaltsverzeichnis:
- Gesetzliche Ausschlussmöglichkeiten
- Schenkung zu Lebzeiten
- Geringe Zuweisungen, Beschränkungen und Vermächtnisse
- Verlagerung des Vermögens ins Ausland
- Verkauf gegen Leibrente
- Eheliche Güterstandsvereinbarungen
- Adoption
- Durch Ausstattung
- Entgeltliche Leistungen
- Wahl ausländischen Rechts
- Pflichtteilsverzicht
1. Gesetzliche Ausschlussmöglichkeiten
Welche gesetzlichen Ausschlussmöglichkeiten gibt es beim Pflichtteil im Erbrecht?
Die in § 2333 BGB geregelten Gründe für den Ausschluss eines Berechtigten vom Pflichtteil sind abschließend. Diese sind sehr eng gefasst und sollen die Betreffenden schützen.
So ist ein Entzug des Pflichtteils möglich, wenn der Betreffende eine schwere Straftat zum Nachteil des Erblassers, seinen Abkömmlingen oder seines Ehegatten begangen hat oder diesen nach dem Leben trachtete. Ebenso ist der Entzug möglich, wenn der Betreffende die ihm obliegende Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser böswillig verletzt hat.
Eine weitere Möglichkeit besteht dann, wenn der Betreffende wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt worden ist oder seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bzw. einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden Vorsatztat angeordnet wurde und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb unzumutbar ist.
Jedoch muss auch bei Vorliegen dieser Sachverhalte der Entzug des Pflichtteils ausdrücklich im Testament aufgeführt und begründet werden. Weitere gesetzliche Möglichkeiten sind nicht vorgesehen.
2. Schenkung zu Lebzeiten
Kann man durch Schenkung den Pflichtteil verringern?
Wer vor seinem Tod sein ganzes Hab und Gut verschenkt, schmälert dadurch nicht unbedingt den Pflichtteil des Berechtigten. Dieser kann seinen Anspruch durch den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch aus § 2325 BGB auch gegen die beschenkten geltend machen. Hierbei werden grundsätzlich Schenkungen der letzten 10 Jahre betrachtet. Der hierbei anzurechnende Wert der Schenkung sinkt jährlich um 10 %. Eine Schenkung im Wert von 10.000 Euro ist daher grundsätzlich nach 9 Jahren noch mit einem Wert von 1.000 Euro anzurechnen.
Auch der Verkauf einer Immobilie unter ihrem tatsächlichen Wert kann als Schenkung eingeordnet und insoweit relevant werden. Behält der Verschenkende einen Nießbrauch - etwa an einer Immobilie - so beginnt die 10- Jahresfrist nicht zu laufen, da das Nießbrauch im Vermögen des Erblassers bestehen bleibt.
Eine Ausnahme besteht auch bei sogenannten unentgeltlichen Zuwendungen an Ehegatten. Bei diesen beginnt die 10 Jahresfrist erst mit Auflösung der Ehe gem. § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB. Ob eine solche „unentgeltliche Zuwendung“ vorliegt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Für eine Beurteilung sollten Sie sich daher durch einen Anwalt für Erbrecht beraten lassen.
3. Geringe Zuweisungen, Beschränkungen und Vermächtnisse
Kann man durch geringe Zuweisungen, Beschränkungen oder ein Vermächtniss den Pflichtteil reduzieren?
Zwar können Sie auch dem Pflichtteilsberechtigten, den Sie benachteiligen wollen, durch geringe Zuweisungen und Beschränkungen und Auflagen (bspw. für Vermächtnisse) beschweren, jedoch läuft auch dieser Ansatz weitgehend ins Leere. Es bestehen Schutzrechte für den Pflichtteilsberechtigten wie der Anspruch auf den Zusatzpflichtteil. Dieser greift ein, wenn der Wert des zugewiesenen Erbes unter dem des Pflichtteils liegt und gleicht diese Wertdifferenz aus. Auch hat der Pflichtteilsberechtigte die Möglichkeit, im Falle von Beschränkungen und Beschwerungen ausnahmsweise das Erbe auszuschlagen und dennoch den Pflichtteil, dann in Form eines geldwerten Anspruchs, ohne Beschränkungen und Beschwerungen geltend zu machen. Auch derartige Gestaltungen führen daher häufig nicht zum Ziel.
4. Verlagerung des Vermögens ins Ausland
Nutzt mir eine Verlagerung des Vermögens ins Ausland, um den Pflichtteil zu umgehen?
Eine erfolgversprechende Methode kann die Verlagerung des Vermögens ins Ausland darstellen. Jedoch sind auch hierbei besondere Sorgfalt und Sachkenntnis nötig. In vielen Ländern greift - trotz der Grenzüberschreitung - dennoch das deutsche Erbrecht. Es sind daher für die individuellen Bedürfnisse, die jeweiligen Erbrechte der in Frage kommenden Länder abzugleichen und deren Wechselwirkungen mit dem deutschen Erbrecht zu berücksichtigen. Hierbei sollten Sie sich von einem kompetenten Rechtsanwalt unterstützen lassen.
5. Verkauf gegen Leibrente
Kann der Verkauf von Gegenständen gegen Leibrente den Pflichtteil minimieren?
Ebenfalls erfolgversprechend zur Minderung des Pflichtteils ist der Verkauf von Gegenständen gegen eine Leibrente. Hierbei wird ein Gegenstand, wie etwa eine Immobilie, zu einem geringen Preis und einem weiteren, jährlich zu entrichtenden Rentenbetrag veräußert. Aufgrund der Gegenleistung liegt somit keine Schenkung vor. Diese Leibrente muss jedoch in einem angemessenen Rahmen liegen. Sie bemisst sich an der durchschnittlich verbleibenden Lebenserwartung.
6. Eheliche Güterstandsvereinbarungen
Reduzierung des Pflichtteilsanspruchs durch eheliche Güterstandsvereinbarung?
Durch die Schließung einer Ehe verringert sich der gesetzliche Erbteil der Abkömmlinge und somit auch deren Pflichtteilsanspruch. Zudem bleibt der dem überlebenden Ehegatten gebührende Voraus gem. § 2311 Abs. 1 BGB außer Ansatz.
Wird eine Gütergemeinschaft vereinbart, ist es möglich, dem Ehegatten die Hälfte des Vermögens pflichtteilsfest zu übertragen. Wird überdies im Rahmen eines Ehevertrages gem. §§ 1483 ff BGB eine fortgesetzte Gütergemeinschaft vereinbart, so wird die Gütergemeinschaft auch nach dem Tod des Ehegatten mit dessen Abkömmlingen fortgesetzt. Dieser Anteil des Gesamtgutes gehört daher nicht zum Nachlass und wird somit auch nicht in die Pflichtteilsberechnung miteinbezogen.
Nehmen die Ehegatten einen Wechsel des Güterstandes von der Zugewinngemeinschaft zum Güterstand der Gütertrennung vor, muss ein Zugewinnausgleich erfolgen. Hierdurch kann das Vermögen des Erblassers gemindert werden. Dies lohnt sich jedoch meist nur, wenn ein entsprechend hoher Zugewinnausgleich dadurch realisiert werden kann.
Auch gibt es das Gestaltungsmodell der sogenannten „Güterstands Schaukel“. Hierbei wechseln die Ehegatten zunächst vom Güterstand der Zugewinngemeinschaft zur Gütertrennung. Nach Einhalt einer entsprechenden Schamfrist wechseln die Ehegatten erneut zum Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Wird dieses Gestaltungsmodell jedoch genutzt, um den Pflichtteil zu umgehen, so bleiben dessen Wirkungen wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 242 BGB außer Betracht. Legitime Gründe für die jeweilige Neuordnung der ehelichen Vermögensverhältnisse sind zwar denkbar, diese müssten jedoch entsprechend dargelegt werden.
Möchte der Erblasser seinen Ehegatten enterben bzw. dessen Pflichtteilsanspruch ausschließen, so kann er zu Lebzeiten einen Antrag auf Scheidung stellen. Ist der Antrag auf Scheidung gestellt und liegen die Voraussetzungen hierfür zum Zeitpunkt des Erbfalls vor, so entfällt der Pflichtteilsanspruch des Ehegatten.
7. Adoption
Wird durch eine Adoption der Pflichtteilsanspruch der übrigen Kinder reduziert?
Möchte der Erblasser den Pflichtteilsanspruch seiner Abkömmlinge reduzieren, geschieht dies, indem er weitere Personen als eigene Kinder adoptiert. Hierdurch steigt die Zahl der Erbberechtigten. Dementsprechend sinkt die Erbquote des Einzelnen und damit auch der Pflichtteilsanspruch.
Die wichtigsten Informationen zum Pflichtteilsanspruch im Erbrecht:
8. Durch Ausstattung
Können Zuwendungen an Kinder z. B. durch Ehe den Pflichtteil reduzieren?
Auch durch eine Ausstattung kann das Vermögen und damit der Pflichtteilsanspruch gemindert werden. Die Zuwendung einer Ausstattung gemäß § 1624 BGB gilt grundsätzlich nicht als Schenkung.
Hierbei handelt es sich beispielsweise um Zuwendungen, die aufgrund einer Heirat oder zur Erlangung einer selbstständigen Lebensweise von den Eltern an ihre Kinder gerichtet werden. Zu beachten ist allerdings, dass der Umfang der Ausstattung den Vermögensverhältnissen der Eltern entsprechen muss. Andernfalls droht auch hier eine Einstufung als Schenkung und damit eine Einbeziehung in den Pflichtteilsergänzungsanspruch.
9. Entgeltliche Leistungen
Wie können Pflegevereinabrungen oder andere entgeltliche Leistungen den Pflichtteil verringern?
Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit ist die Vereinbarung einer entgeltlichen Leistung, welche andernfalls auch unentgeltlich erfolgt wäre. Beispielsweise durch eine entgeltliche Pflegevereinbarung liegt eine konkrete Gegenleistung für das Entgelt vor. Dadurch schmälert sich das vorhandene Vermögen.
Aber auch andere Leistungen, wie die Führung des Haushaltes oder die Verwaltung des Vermögens kommen hierbei in Betracht. Auch nachträgliche Vereinbarungen über die Entgeltlichkeit bereits erbrachter Leistungen muss der Pflichtteilsberechtigte hinnehmen. Jedoch müssen auch hier Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis liegen. Andernfalls droht die Einstufung als Schenkung und damit die Einbeziehung in den Pflichtteilsergänzungsanspruch.
10. Wahl ausländischen Rechts
Pflichtteil umgehen durch ausländische Staatsangehörigkeit?
Personen, die eine ausländische oder neben der deutschen eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, können zudem als anwendbares Erbrecht, dass ihrer Staatsangehörigkeit entsprechende Landesrecht wählen. In vielen Staaten besteht kein Pflichtteilsrecht für erwachsene Kinder oder den Ehegatten. Auch hierdurch kann der Pflichtteilsanspruch des deutschen Erbrechts umgangen werden.
11. Pflichtteilsverzicht
Wie kann man einen vertraglichen Pflichtteilsverzicht umsetzen?
Auch besteht nach § 2346 BGB die Möglichkeit, noch zu Lebzeiten mit dem Pflichtteilsberechtigten einen Pflichtteilsverzicht auszuhandeln. Auf Grundlage eines solchen Vertrages verzichtet der Berechtigte gegen eine Abfindungszahlung oder eine andere Leistung darauf, seinen Pflichtteilsanspruch im Erbfall geltend zu machen.
Ein solcher Vertrag muss jedoch gemäß § 2348 BGB notariell beurkundet werden. Wird eine entsprechende Absprache also nur mündlich oder nur schriftlich vereinbart, ist diese unwirksam. Zudem verliert der Pflichtteilsberechtigte durch den Verzicht auf seinen Pflichtteilsanspruch nicht seine Erbansprüche.
Die Enterbung muss daher ebenfalls im Testament geregelt werden. Nimmt der Erblasser eine Enterbung nicht vor, so kann der Pflichtteilsberechtigte - trotz wirksamen Verzicht auf seinen Pflichtteilsanspruch - dennoch seine gesetzlichen Erbansprüche geltend machen. Es ist daher ratsam, sich von einem erfahrenen Anwalt im Erbrecht beraten zu lassen.
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Lothar Bücherl
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