Nachweisgesetz: Was Arbeitgeber wissen müssen
Bereits zum 01.08.2022 ist die Neufassung des Nachweisgesetzes in Kraft getreten. Hintergrund ist die Umsetzung einer EU-Richtline im Arbeitsrecht. Arbeitgeber müssen ab sofort veränderte Nachweispflichten und Vorlagefristen beachten. Andernfalls drohen verschärfte Bußgeldvorschriften. Im folgenden Rechtstipp fasse ich die wichtigsten Änderungen zusammen und erkläre, worauf Arbeitgeber nun achten müssen.
Inhaltsverzeichnis:
- Was ist das Nachweisgesetz?
- Was ist der Hintergrund der Neufassung des Nachweisgesetzes?
- Wer ist vom Nachweisgesetz betroffen und was ist für Arbeitgeber zu beachten?
- Welche zusätzlichen Nachweispflichten für Arbeitgeber gelten seit 01.08.2022?
- Welche verkürzten Vorlagefristen müssen Arbeitgeber nun beachten?
- Höhere Bußgelder: Was gilt bei Verstößen?
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1. Was ist das Nachweisgesetz?
Seit 01.08.2022 ist es in Kraft: das neue Nachweisgesetz (NachwG). Das Nachweisgesetz regelt, welche wesentlichen Bedingungen eines individuellen Arbeitsverhältnisses schriftlich festzuhalten sind. Hierdurch werden individualarbeitsrechtliche Verpflichtungen konkretisiert. Somit erfüllt das Gesetz eine Klarstellungsfunktion. Insbesondere dort, wo Arbeitsverhältnisse mündlich geschlossen werden, soll es die Rechtssicherheit für Arbeitnehmer stärken sowie illegale Beschäftigungsformen und arbeitsrechtliche Streitigkeiten über einzelne Arbeitsbedingungen verhindern.
Das NachwG ist dabei keineswegs neu. Es existiert bereits seit 1995. Nunmehr wurde es lediglich reformiert. Nötig wurde diese Anpassung aufgrund europarechtlicher Vorgaben. Mithin kam der Gesetzgeber durch Anpassung diverser Gesetze der Frist der Arbeitsbedingungen-Richtlinie der Europäischen Union (2019/1152) nach, die den Mitgliedsstaaten eine Umsetzung der auf EU-Ebene beschlossenen zivilrechtlichen Vorgaben in nationales Recht bis zum 30.07.2022 aufgab.
2. Was ist der Hintergrund der Neufassung des Nachweisgesetzes?
Ziel der EU-Richtline war es, auch vor dem Hintergrund von Binnenmarkt und Arbeitnehmerfreizügigkeit EU-weit einheitliche Verhältnisse hinsichtlich der Unterrichtung von Arbeitnehmern über die wesentlichen Aspekte von Arbeitsverhältnissen herzustellen. Hierdurch sollten Transparenz und Vorhersehbarkeit gestärkt und somit die Durchführung von Arbeitsverhältnissen erleichtert werden. Der Gesetzgeber zielte dabei insbesondere auf neuartige und untypische Arbeitsverhältnisse ab, etwa im Bereich zeitlich befristeter Auftragstätigkeiten in international geprägten Branchen, in denen keine tarifvertraglichen Regelungen vorherrschen.
3. Wer ist vom Nachweisgesetz betroffen und was ist für Arbeitgeber zu beachten?
Arbeitgeber müssen nun Acht geben: Denn das geänderte Nachweisgesetz gilt gemäß § 1 S. 1 NachwG für alle Arbeitnehmer – und somit auch für alle Unternehmen. Unternehmensgröße, Mitarbeiterzahlen oder etwaige Umsatzschwellen sind unbeachtlich. Mithin verpflichtet das neue Nachweisgesetz auch kleinere und mittlere Unternehmen. Zudem gilt das Gesetz für alle Arbeitnehmer, insbesondere auch für kurzzeitig befristete Arbeitsverhältnisse bestehen keine Ausnahmen. Somit gelten die Nachweispflichten für alle Neueinstellungen und Vertragsanpassungen, die nach dem 01.08.2022 in Kraft getreten sind. Höchste Zeit also für Arbeitgeber, um interne Standardverfahren und Musterverträge rechtssicher anzupassen.
Bei Bestandsarbeitsverhältnissen, die vor dem 01.08.2022 bestanden, gilt die Nachweispflicht nur eingeschränkt. Hier gelten die Nachweispflichten der neuen Gesetzesfassung nur auf Verlangen. Verlangen betroffene Arbeitnehmer allerdings eine Dokumentation der wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses, dann gilt die Nachweispflicht allerdings auch für solche Arbeitsverhältnisse, die vor dem Stichtag geschlossen wurden. Deswegen ist es anzuraten, auch für diese Fälle schnellstmöglich entsprechende Vordrucke und Informationsaussendungen anzufertigen, sofern dies nunmehr immer noch nicht geschehen sein sollte.
4. Welche zusätzlichen Nachweispflichten für Arbeitgeber gelten seit 01.08.2022?
Mit der Änderung des Nachweisgesetzes wurden insbesondere die nachzuweisenden Informationen erweitert. Der bereits zuvor bestehende Katalog wurde u. a. um folgende in § 2 NachwG geregelten Punkte ergänzt:
- Beendigungszeit des Arbeitsverhältnisses.
- Den etwaig durch den Arbeitnehmer frei bestimmbaren Arbeitsort.
- Die Dauer der Probezeit, sofern eine solche vereinbart wird.
- Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts, die Vergütung von Überstunden, Zuschlägen, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung eingeschlossen.
- Die vereinbarte Arbeitszeit sowie entsprechend vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten.
- Schichtsystem, Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für etwaige Schichtänderungen, sofern Schichtarbeit vorliegt.
- Bei Arbeit auf Abruf neben der Vereinbarung, dass Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen ist, die Zahl der zu vergütenden Mindeststunden, der jeweilige Zeitrahmen und die Frist für die Anordnung der Lage der Arbeitszeit im Voraus durch den Arbeitgeber.
- Die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen, sofern dies vereinbart wurde.
- Etwaig bestehende arbeitnehmerseitige Ansprüche auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung.
- Wenn eine betriebliche Altersversorgung zugesagt wurde, dann Nachweis über den Versorgungsträger, dessen Name und Anschrift, sofern diese Pflicht nicht bereits dem Versorgungsträger obliegt.
- Sonstige Verfahrensvorschriften bezüglich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, mindestens das Schriftformerfordernis und die Kündigungsfrist sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage.
5. Welche verkürzten Vorlagefristen müssen Arbeitgeber nun beachten?
Neu geregelt wurden zudem die Vorlagefristen. Auch wurden die Bußgeldregelungen bei Pflichtverstößen verschärft.
So galt bisher, dass Arbeitgeber dem Beschäftigten gewisse Informationen bis spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses vorlegen konnten. Hier wurden einige Fristen nun verkürzt. Nach § 2 Abs. 1 S. 4 NachwG gelten nun aber folgende Änderungen:
- die Niederschrift mit Angaben gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 7 und 8 NachwG (Name, Anschrift der Vertragsparteien, Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts, Arbeitszeit, Schichtarbeit) spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung,
- die Niederschrift mit den Angaben nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 bis 6, 9 und 10 NachwG (Beginn AV, Befristung, Arbeitsort, Tätigkeit, Probezeit, Arbeit auf Abruf, Überstunden) spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses und
- die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach § 2 Abs. 1 S. 2 spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen.
Wichtig: Arbeitsverträge können noch immer auch mündlich geschlossen werden. Für die Informationsnachweise aus § 2 NachwG gilt jedoch die Schriftform! Arbeitgeber müssen ihren Beschäftigten somit schriftlich über ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen unterrichten. Denn die in § 126 BGB geregelte Schriftform verlangt, dass der Arbeitgeber eine eigenhändig unterzeichnete Urkunde auszuhändigen hat.
6. Höhere Bußgelder: Was gilt bei Verstößen?
Bei Verstößen drohen gemäß § 4 Abs. 2 NachwG nun Bußgelder von bis zu 2.000 Euro. So etwa, wenn die vorgesehenen wesentlichen Vertragsbedingungen nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig aushändigt, eine genannte Niederschrift nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig aushändigt oder eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig erfolgt.
Für Arbeitgeber empfiehlt sich, Arbeitsverträge stets schriftlich zu schließen und die gemäß Nachweisgesetz vorzulegenden Informationen gleich mit aufzunehmen. Dies ist nicht verpflichtend, indes ließe sich viel doppelte Arbeit und Papierkram umgehen, insbesondere etwa bei Vertragsänderungen.
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Lothar Bücherl
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