Pflichtteil im Erbrecht – Was man wissen muss
Einen lieben Menschen zu verlieren ist tragisch, dennoch kommt es im Nachgang - zum Beispiel bei der Verteilung des Erbes - oft zum Streit. Viele Erblasser setzen zu Lebzeiten ein Testament auf und versuchen so Streitigkeiten um das Erbe weitestgehend zu vermeiden. Bei einem Testament kann es dazu kommen, dass unbewusst oder bewusst Verwandte in gerader Linie vom Erbe ausgeschlossen werden. Damit diese nicht leer ausgehen, greift grundsätzlich der gesetzliche Pflichtteilsanspruch. Wie dieser gesetzlich geregelt ist, habe ich in diesem Rechtstipp für Sie zusammengefasst.
Möchten Sie Ihren Pflichtteil durchsetzen oder als Erblasser diesen bestmöglich umgehen? Dann nehmen Sie Kontakt zu mir auf. Als Ihr Anwalt für Erbrecht aus Regensburg berate und unterstütze ich Sie rechtssicher und pragmatisch bei allen erbrechtlichen Fragen und Streitigkeiten.
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Die wichtigsten Informationen zum Pflichtteil im Erbrecht vorab:
- Der Pflichtteil ist ein schuldrechtlicher Anspruch des Enterbten gegen den oder die Erben auf Zahlung einer Geldsumme.
- Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge sowie der Ehegatte und wenn keine Kinder vorhanden sind die Eltern des Erblassers.
- Der Pflichtteilsanspruch beträgt die Hälfte der gesetzlichen Erbquote, die bestehen würde, wenn kein Testament existieren würde.
- Eine Umgehung des Pflichtteils ist kaum möglich. Es gibt hierzu umfassende Schutzvorschriften für die Pflichtteilsberechtigten.
- Der Pflichtteil ist gegenüber dem Erben oder der Erbengemeinschaft geltend zu machen.
- Der Pflichtteilsberechtigte kann zur Ermittlung des Nachlasswertes von den Erben eine Auskunft über den realen Bestand des Nachlasses und auch über den fiktiven Nachlassbestand fordern.
- Durch den Pflichtteilsergänzungsanspruch wird verhindert, dass der Erblasser seinen Nachlass durch Schenkungen schmälert und dadurch den Pflichtteilsberechtigten benachteiligt.
- Der Ausschluss vom Pflichtteilsanspruch ist nur in den engen von § 2333 BGB aufgezählten Fällen möglich.
- Der Anspruch auf den Pflichtteil verjährt in drei Jahren nach Kenntnis von Erbfall und Enterbung oder wenn diese Kenntnis nicht erlangt wird nach dreißig Jahren.
Inhaltsverzeichnis:
- Was ist der Pflichtteil?
- Wem steht der Pflichtteil?
- Wie hoch ist der Pflichtteil? (Berechnung des Pflichtteils)
- Kann man den Pflichtteil umgehen?
- Wie mache ich den Pflichtteil geltend?
- Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten
- Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
- Wer ist vom Pflichtteil ausgeschlossen?
- Verjährung des Anspruchs
1. Was ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteil ist ein schuldrechtlicher Anspruch des vom Erbe ausgeschlossenen gegen den Erben oder die Erbengemeinschaft. Wer einen Anspruch auf den Pflichtteil hat, ist also nicht selbst Erbe. Auch kann er keine bestimmten Gegenstände aus dem Nachlass fordern. Er kann lediglich die Auszahlung eines Geldbetrages, der abhängig vom Geldwert des Nachlasses und der Erbquote ist, verlangen.
2. Wem steht der Pflichtteil zu?
Pflichtteilsberechtigt sind nach § 2303 BGB die eigenen Abkömmlinge des Erblassers, also dessen Kinder, Enkel, Urenkel, Ur-Urenkel sowie sein Ehegatte. Möglich ist auch, dass die Eltern des verstorbenen pflichtteilsberechtigt sind. Voraussetzung für die Entstehung des Pflichtteilsanspruchs ist, dass der Betroffene ohne die Regelungen im Testament selbst Erbe geworden wäre. Hat der Verstorbene eigene Kinder, so sind diese seine gesetzlichen Erben. Den Eltern kommt dann kein Anspruch auf den Pflichtteil zu.
3. Wie hoch ist der Pflichtteil – Berechnung des Pflichtteils
Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Es hängt also immer davon ab, wie viele Personen nach der gesetzlichen Erbfolge erbberechtigt sind und wie groß der Nachlass ist. Es ist daher immer zunächst zu ermitteln, wie hoch die gesetzliche Erbquote wäre, wenn das Testament nicht bestehen würde.
Hinterlässt beispielsweise der Erblasser als Erben vier Kinder, die alleine gesetzliche Erben würden, so beträgt deren jeweilige Erbquote 25 %. Hat er jedoch in einem Testament sein ganzes Hab und Gut auf drei Kinder verteilt, so hat das enterbte Kind einen Pflichtteilsanspruch gegen die Erben. Die Höhe hängt davon ab, ob nun alle Kinder das Erbe antreten. Schlagen zwei der drei Kinder das Erbe aus, so erbt das dritte bedachte Kind alles allein. In diesem Fall würde die gesetzliche Erbquote des enterbten Kindes ohne das Testament 50 % betragen. Daher ergibt sich ein Pflichtteilsanspruch i. H. v. 25 % des Nachlasswertes gegen den Erben.
Je nach ehelichem Güterstand und der Zahl der Kinder erläutert die nachfolgende Tabelle die Pflichtteilsquote:
Ehelicher Güterstand des Erblassers im Todesfall |
Pflichtteilsquote je Kind (wenn der Erblasser im Erbfall verheiratet war) |
Pflichtteilsquote des längerlebenden Ehegatten (neben Abkömmlingen) |
||||
|
bei 1 Kind |
bei 2 Kindern |
bei 3 Kindern |
|
||
Gesetzlicher Güterstand (= Zugewinngemeinschaft) |
1/4 |
1/8 |
1/12 |
1/8 |
||
Gütertrennung |
1/4 |
1/6 |
1/8 |
bei 1 Kind: 1/4 |
bei 2 Kindern: 1/6 |
bei 3 und mehr Kindern: 1/8 |
Gütergemeinschaft
|
3/8 |
3/16 |
3/24 |
1/8 |
Sie sind pflichtteilsberechtigt? Gerne berate ich Sie auch ausführlich über die Höhe Ihres gesetzlichen Erbteils.
4. Kann man den gesetzlichen Pflichtteil umgehen
Grundsätzlich nicht. Ein Ausschluss des Pflichtteils kommt nur in den gesetzlich dafür vorgesehenen Ausnahmesituationen in Betracht. So ist vom Pflichtteil gem. § 2333 ausgeschlossen, wer eine schwere Straftat zum Nachteil des Erblassers begangen hat oder versucht hat ihn, seinen Ehegatten oder einen seiner Abkömmlinge umzubringen. Die gesetzlich aufgezählten Ausschlussgründe sind abschließend. In diesen Fällen muss jedoch auch der Entzug des Pflichtteils ausdrücklich im Testament erklärt und begründet werden.
Dennoch gibt es Gestaltungsmöglichkeiten, um den Pflichtteil zu umgehen bzw. zu schmälern. Lesen Sie dazu meinen Rechtstipp zum Thema „Pflichtteil umgehen“:
5. Wie mache ich den Pflichtteil beim Erbe geltend
Der Pflichtteilsanspruch richtet sich gegen den Erben oder im Falle mehrerer Erben gegen die Erbengemeinschaft. Er muss daher auch diesen gegenüber geltend gemacht werden. Ignoriert der Erbe die Geltendmachung oder weigert sich zu zahlen, so bleibt nur der Gang zum Gericht.
Unter Umständen kann es jedoch sein, dass der Erbe eine Stundung der Auszahlung des Pflichtteilsanspruch geltend machen kann, etwa weil er dazu sein Familienzuhause verkaufen müsste, um die Ansprüche auszugleichen. Es empfiehlt sich daher vor einem solchen Schritt den Sachverhalt genau zu prüfen. Hierbei ist es ratsam, einen versierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen.
Gerne unterstütze ich Sie dabei, Ihren Pflichtteilsanspruch geltend zu machen und stehe von der Beratung bis zur erfolgreichen Geltendmachung an Ihrer Seite.
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6. Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten
Ist für den Pflichtteilsberechtigten nicht ersichtlich, welchen Umfang der Nachlass hat, so kann er von den Erben eine entsprechende Auskunft verlangen. Dieser Auskunftsanspruch richtet sich ausschließlich gegen den oder die Erben und nicht gegen Dritte wie etwa Banken und Versicherungen.
Der Pflichtteilsberechtigte kann sowohl eine Bestandsliste wie auch falls notwendig entsprechende Wertgutachten, etwa für Immobilien, fordern. Die Kosten solcher Gutachten verringern jedoch den Nachlass und schmälern somit auch den Pflichtteil. Auch können Auskünfte zum sogenannten fiktiven Nachlass verlangt werden. Hierbei handelt es sich um die in den letzten 10 Jahren vor dem Erbfall vorgenommenen Schenkungen, die für den Pflichtteilsergänzungsanspruch relevant sind.
Ein Anspruch auf die Vorlage von einzelnen Belegen besteht nach vorherrschender Ansicht nur dann, wenn Unternehmen betroffen sind.
7. Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist in § 2325 BGB geregelt. Durch diesen soll verhindert werden, dass der Erblasser zu Lebzeiten seinen Nachlass gezielt schmälert, um den Pflichtteilsanspruch des betroffenen zu reduzieren. Dies geschieht etwa dadurch, dass Vermögenswerte an Dritte verschenkt oder unter Wert verkauft werden.
Liegt ein solcher Sachverhalt vor, kann der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch auch gegen den oder die beschenkten geltend machen. Hierbei werden die Schenkungen der letzten 10 Jahre betrachtet. Durch eine komplizierte Rechnung wird ermittelt, welchen Wert der Nachlass ohne die betreffende Schenkung gehabt hätte. Auf dieser Grundlage wird dann die Höhe des dadurch bestehenden Pflichtteilsanspruchs berechnet.
Reicht der vorhandene Bestand des Nachlasses nicht aus, um den Pflichtteilsanspruch des betreffenden auszugleichen, kann der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch auch gegenüber dem Beschenkten geltend machen.
Es handelt sich hierbei um eine komplexe Materie mit einer hohen praktischen Relevanz. In diesen Fällen sollten sie sich dringend von einem kompetenten Anwalt unterstützen lassen.
8. Wer ist vom Pflichtteil ausgeschlossen?
Die Hürden, um einen Pflichtteilsberechtigten nicht nur vom Erbe auszuschließen, sondern ihm dazu auch noch den Anspruch auf den Pflichtteil zu entziehen, sind hoch. So regelt § 2333 abschließend solche Fallgestaltungen, in denen auch den Entzug des Pflichtteilsanspruchs möglich ist.
Die ist etwa der Fall, wenn der Betreffende dem Erblasser, seinem Ehegatten oder einem Abkömmling nach dem Leben getrachtet hat oder er sich zu deren Nachteil einer schweren Straftat schuldig gemacht hat. Auch wer gegenüber dem Erblasser die gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt hat, kann vom Pflichtteilsanspruch ausgeschlossen werden.
Zudem kann der Pflichtteilsanspruch entzogen werden, wenn der betreffende wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt wurde oder dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat angeordnet wurde und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb unzumutbar ist.
Auch in diesen Fällen muss jedoch der Entzug des Pflichtteils ausdrücklich im Testament benannt und begründet werden.
In Konstellationen, die nicht diesen gesetzlich festgeschriebenen Umständen entsprechen, ist es nicht möglich, dem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteilsanspruch zu entziehen.
9. Verjährung des Pflichtteilsanspruchs
Die Verjährung zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs beträgt drei Jahre ab dem 31.12 des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtige von dem Erbfall und die ihn betreffende Enterbung im Testament Kenntnis erlang hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn der Betreffende die entsprechende Nachricht vom Nachlassgericht erhält. Erhält er die Kenntnis von diesen Umständen nicht, dann beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre.
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Lothar Bücherl
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