Welchen Ausgleichsanspruch / Abfindungsanspruch haben Handelsvertreter?
Handelsvertreter, zu welchen unter anderem viele Versicherungsvertreter zählen, befinden sich in einer besonderen Situation. Sie sind selbstständig tätige Gewerbetreibende und somit keine festangestellten Arbeitnehmer. Daher profitieren sie auch nicht vom gesetzlichen Arbeitnehmerschutz. Wird das Vertragsverhältnis durch das Unternehmen (z. B. die Versicherung) beendet, trifft es diese oft hart und ein klassischer Kündigungsschutz im Arbeitsrecht greift nicht. Dennoch sind Handelsvertreter nicht rechtlos und das Handelsvertreterrecht bestimmt die Verhältnisse. So kann nach § 89a HGB nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ein Ausgleichsanspruch gegen das Unternehmen bestehen.
Als Rechtsanwalt vertrete und berate ich zahlreiche Handelsvertreter bei der Wahrung ihrer Rechte und konnte bereits lukrative Ausgleichsansprüche für meine Mandanten und gegen die früheren Vertragspartner durchsetzen.
Inhaltsverzeichnis:
- Warum gibt es einen Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter?
- Wer kann einen Ausgleichsanspruch geltend machen?
- Welche Voraussetzungen müssen für einen Abfindungsanspruch vorliegen?
- Wann ist ein Ausgleichsanspruch ausgeschlossen?
- Wie hoch ist der Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter?
- Wie setze ich meinen Abfindungsanspruch als Handelsvertreter durch?
- Fazit zum Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter
- Anwalt für Handelsvertreterrecht in Regensburg
Warum gibt es einen Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter?
Der Handelsvertreter vermittelt für das ihn beauftragende Unternehmen Geschäftsverträge oder schließt diese im Namen des Unternehmens ab. Dadurch vergrößert er nachhaltig den Kundenstamm des Unternehmens. Dieser Kundenstamm bleibt dem Unternehmen auch dann erhalten, wenn die Zusammenarbeit mit dem Handelsvertreter beendet wird. Gleichzeitig entfällt für den Handelsvertreter die Provision aus den Umsätzen mit diesen Kunden. Somit profitiert das Unternehmen langfristig von dessen Leistungen.
Der Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter soll diese langfristige Wirkung seiner Leistungen vergüten. Er ist damit sozusagen ein Abfindungsanspruch, der die entgangenen Provisionen abmildern soll.
Wer kann einen Ausgleichsanspruch geltend machen?
Einen Ausgleichsanspruch kann geltend machen, wer Handelsvertreter im Sinne des § 84 HGB ist. Dies sind selbstständige Gewerbetreibende, die ständig damit betraut sind, Geschäfte für andere Unternehmer zu vermitteln oder abzuschließen. Ständig meint hierbei nicht eine bestimmte Zeitspanne, sondern die Beauftragung zum Abschluss oder zur Vermittlung einer unbestimmten Anzahl von Geschäften.
Handelsvertreter sind zwar eng an das beauftragende Unternehmen gebunden, jedoch keine Arbeitnehmer. Als "Selbständig" gilt, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Das können neben dem klassischen Staubsaugervertreter auch Versicherungsvertreter sein.
Ob die Voraussetzungen vorliegen, kann teils schwer zu bestimmen sein und muss im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden.
Welche Voraussetzungen müssen für einen Abfindungsanspruch vorliegen?
Die Voraussetzungen werden durch § 89b HGB geregelt. Das Gesetz besagt:
- Der Handelsvertretervertrag muss beendet sein.
- Das Unternehmen muss erhebliche Vorteile durch die vom Handelsvertreter geworbenen Kunden haben.
- Es dürfen keine Ausschlussgründe vorliegen.
- Der Abfindungsanspruch muss innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Handelsvertretervertrages geltend gemacht werden.
Diese Voraussetzungen klingen auf den ersten Blick einfach, jedoch ergeben sich bei der Prüfung der jeweiligen Einzelfälle komplexe Fragestellungen. Sie sollten sich daher bei der Prüfung ihres Ausgleichsanspruchs von einem erfahrenen Anwalt im Handelsvertreterrecht unterstützen lassen.
Wann ist ein Ausgleichsanspruch ausgeschlossen?
Ein Ausschluss des Ausgleichsanspruchs vor Beendigung des Vertragsverhältnisses ist nicht möglich. Daher sind vertragliche Vereinbarungen, welche den Anspruch ausschließen oder beschränken, unwirksam.
Der Ausgleichsanspruch besteht jedoch nicht in jedem Falle. So muss der Handelsvertretervertrag grundsätzlich durch das Unternehmen gekündigt werden, ohne dass der Handelsvertreter hierfür schuldhaft den Anlass gibt. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Verhalten des Handelsvertreters eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde.
Ausnahmsweise kann der Ausgleichsanspruch auch bei einer Kündigung durch den Handelsvertreter bestehen bleiben, wenn das Verhalten des Unternehmers einen begründeten Anlass für die Kündigung gegeben hat oder der Handelsvertreter die Tätigkeit wegen Alter oder Krankheit nicht fortführen kann.
Der Anspruch auf Ausgleich ist außerdem ausgeschlossen, wenn ein Dritter aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer anstelle des Handelsvertreters das Vertragsverhältnis fortführt.
Letztlich kann der Handelsvertreter seinen Abfindungsanspruch nicht mehr geltend machen, wenn er zu lange abwartet. Der Ausgleichsanspruch muss innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend gemacht werden.
Wie hoch ist der Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter?
Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist sehr komplex und hängt von vielen Faktoren ab. Aus den Abschluss und Vermittlungsprovisionen des letzten Jahres wird zunächst ein Rohausgleich berechnet, der wiederum durch Abzugsposten vermindert wird. Anschließend werden durch eine Zukunftsprognose die voraussichtlichen Vorteile des Unternehmens ermittelt und Korrekturen aus Billigkeitsgründen geprüft.
Nach oben ist der Abfindungsanspruch nach § 89b Abs. 2 HGB auf die Höhe einer durchschnittlichen Jahresprovision begrenzt. Diese berechnet sich aus den letzten fünf Jahren der Tätigkeit.
Wie setze ich meinen Abfindungsanspruch als Handelsvertreter durch?
Der Anspruch muss gegenüber dem Unternehmen geltend gemacht werden. Dies sollte aus Beweisgründen schriftlich mit einem Zugangsnachweis geschehen. Hierbei muss noch kein konkreter Betrag angegeben werden. Weigert sich das Unternehmen, einen angemessenen Ausgleichsanspruch zu bezahlen, so müssen Sie ihren Anspruch gerichtlich im Wege einer Leistungsklage durchsetzen.
Dies stellt ein nicht zu unterschätzendes Unterfangen dar. Sie sollten sich hierbei zur Erhöhung ihrer Erfolgsaussichten durch einen versierten Anwalt unterstützen lassen.
Fazit zum Ausgleichsanspruch bei Handelsvertretern
- Der Ausgleichsanspruch soll die langfristige Wirkung der Leistungen des Handelsvertreters vergüten.
- Ein Ausgleichsanspruch steht nur Handelsvertretern im Sinne des § 84 HGB zu.
- Ob ein Ausgleichsanspruch vorliegt, wird in § 89 HBG geregelt. Hierzu muss das Vertragsverhältnis beendet sein, dem Unternehmer müssen langfristige Vorteile verbleiben, die Zahlung muss der Billigkeit entsprechen und darf nicht ausgeschlossen sein.
- Ausschlussgründe ergeben sich aus dem Umstand der Vertragsbeendigung und der Verjährung.
- Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist sehr komplex. Nach oben ist diese auf eine durchschnittliche Jahresprovision begrenzt.
- Der Handelsvertreter muss seine Ansprüche gegenüber dem Unternehmen geltend machen. Weigert sich das Unternehmen, dem Anspruch nachzukommen, muss dieser gerichtlich durchgesetzt werden.
Anwalt für Handelsvertreterrecht in Regensburg
Als Anwalt für Handelsvertreterrecht berate und vertrete ich Handelsvertreter, Versicherungsvertreter und Unternehmer. Von der Vertragsprüfung und Vertragsgestaltung bis zu Geltendmachung oder Abwehr von Abfindungsansprüchen oder Buchauszügen stehe ich kompetent und konsequent an Ihrer Seite.
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Lothar Bücherl
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